Forschungsgruppe
Resilienz kritischer Infrastrukturen
Leitung: Dr.-Ing. Sylvia Bach
Die Bedeutung reibungslos funktionierender Kritischer Infrastrukturen (KRITIS) für das Wohlergehen einer Gesellschaft ist in Wissenschaft und Forschung unumstritten. Da sich das menschliche Risikobewusstsein vor allem durch eigene Erfahrungen speist, ist die Wahrnehmung der Bevölkerung bezüglich der Ausfallsicherheit von KRITIS geprägt von der vorwiegend sicheren Versorgung der vergangenen Jahrzehnte. Heutzutage entstehen Sicherheitsrisiken für KRITIS aus einer Zunahme von Extremwetterereignissen und Cyberangriffen. Das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) stellte bereits vor der COVID-19-Pandemie eine Professionalisierung der Cyberkriminalität fest, wohingegen sich die Verwundbarkeit vieler Unternehmen nicht gleichzeitig reduzierte, sondern z. B. aufgrund der Verlagerung von Arbeitsplätzen in das Homeoffice noch stieg.
Abb. 1: Die Abbildung zeigt die Vielfältigkeit der nach deutschem Recht definierten KRITIS-Sektoren (BSI-Definition). Die zwischen diesen Sektoren bestehenden Interdependenzen sind Gegenstand der Forschung in vielen Disziplinen.
Den Schutz Kritischer Infrastrukturen als interdisziplinäres Querschnittsthema zu verstehen, bedeutet für die Forschungsgruppe Resilienz Kritischer Infrastrukturen zum einen, KRITIS mit Hilfe von grundlagen- und anwendungsorientierter Forschung direkt zu unterstützen. Dies kann sowohl bezogen auf einen KRITIS-Sektor geschehen, als auch hinsichtlich der vorhandenen Interdependenzen, beispielsweise indem durch Schwachstellenanalysen versucht wird, drängende Handlungsfelder aufzudecken. Zum anderen bedeutet es auch, dass die Bevölkerung und ihre Vorsorgekapazitäten bzw. ihr Risikobewusstsein wesentliche Teile der Forschung sein müssen. Hier spielen nicht nur die Risiko- und Krisenkommunikation von KRITIS (mit besonderem Blick auf „Staat und Verwaltung“, Abb. 1) eine Rolle, sondern auch soziale Faktoren von Resilienz sowie Aspekte der Desinformation.
Mit dem Anspruch, alle Phasen des Katastrophenmanagements zu betrachten, greift die Forschungsgruppe auf die Resilienzforschung im Bevölkerungsschutz zurück: von der Vermeidung von Risiken (mitigation) über Vorsorge (preparedness) bis hin zu Bewältigungs- und Wiederherstellungsstrategien (response und recovery). Das Zusammenspiel von Bürger*innen, Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BOS, „Staat und Verwaltung“ in Abb. 1) und kritischen Versorgungsinfrastrukturen wie Strom, Gas oder Wasser ganzheitlich in den Blick zu nehmen, bietet ein breites Feld an Themen für die interdisziplinäre Arbeit der Forschungsgruppe.
FORSCHUNGSTHEMEN
Versorgungssicherheit
Unter dem Thema Versorgungssicherheit werden die Forschungsaktivitäten bezüglich der Sicherstellung der Versorgung der Bevölkerung mit kritischen Dienstleistungen und Waren zusammengefasst. Hierzu gehören u. a. das Business Continuity Management (BCM) und die Risikoanalyse einzelner Organisationen, die Abhängigkeiten und Unterstützungsmöglichkeiten zwischen Organisationen und/oder Branchen, aber auch das Integrierte Risiko- und Krisenmanagement von KRITIS und staatlichen Stellen.
Forschungsprojekte
- KRISENFIT: Krisenfitte Kommunalverwaltungen – Strategien und Instrumente zur Vorbereitung auf multiple Lagen
- Resilience enhancement and risk control platform for communication infrastructure operators (RESISTO)
- A Decision Support Framework for Improving Cross-border Area Resilience to Disasters (INCA)
- Smart Resilience Indicators for Smart Critical Infrastructures (SmartResilience)
Vorsorgekapazitäten und Risikobewusstsein
Die Forschung zu Schnittstellen zwischen Kritischen Infrastrukturen und Menschen, der Wahrnehmung und des Risikobewusstseins, sowie der Vorsorgekapazitäten der Bevölkerung sind ein weiteres Forschungsfeld. Hier liegen unter anderem Schwerpunkte auf vulnerablen Gruppen sowie den sozioökonomischen, kulturellen und demografischen Unterschieden in der Bevölkerung. Kommunikation zwischen KRITIS allgemein bzw. Behörden im Speziellen und der Bevölkerung spielt in diesem Forschungsbereich eine übergeordnete Rolle.
Forschungsprojekte
- Crowd-Management in Verkehrsinfrastrukturen (CroMa)
- Aktive Partizipation und Motivation professionalisierter Digitaler Freiwilliger Helfergruppen (VGIscience II)
Evaluation von Übungen und Trainings im Bereich Bevölkerungsschutz
Im Austausch mit Praktiker*innen wird immer wieder betont, wie wichtig es ist, (für) den „Ernstfall“ zu üben, um zu wissen, wie der jeweils andere Akteur funktioniert und „tickt“. Das bestätigen auch unsere Forschungsergebnisse an vielen Stellen. Ob in organisationsinternen oder in organisationübergreifenden Trainings und Übungen: Hier kann ein wichtiger Grundstein gelegt werden für die Zusammenarbeit in kritischen Situationen. Auch wir befassen uns daher mit solchen Vorbereitungsansätzen und unterstützen BOS und weitere Sicherheitspartner mit Evaluationen von Übungen, Trainings und Simulationen.
Forschungsprojekte
- A Decision Support Framework for Improving Cross-border Area Resilience to Disasters (INCA)
- Beobachtung der Länderübergreifende Krisenmanagement-Übung/Exercise 2011 (LÜKEX)
- Bausteine für die Sicherheit von Großveranstaltungen (BaSiGo)
PUBLIKATIONEN (Auswahl)
- Copeland, S., Comes, T., Bach, S., Nagenborg, M., Schulte, Y. & Doorn, N. (2020). Measuring social resilience: Trade-offs, challenges and opportunities for indicator models in transforming societies. International Journal of Disaster Risk Reduction 51(1), https://doi.org/10.1016/j.ijdrr.2020.101799
- Miller, N., Bach, S., Langefeld, A., Carapinha, J., Patrascu, C., Constantin, I., Srivastava, K., Fehling-Kaschek, M., Stolz, A. (2021). Cross Border Resilience Analysis of Telecommunication Networks. Journal of Homeland Security and Emergency Management, Special Issue on Cross-Border and Transboundary Resilience (im Erscheinen).