Fakultät für Maschinenbau und Sicherheitstechnik

Forschungsgruppe

Management und Organisation in der Gefahrenabwehr

Leitung: Dr. Patricia Schütte

Die Gefahrenabwehr ist ein zentraler Bereich des gesellschaftlichen Teilsystems der zivilen oder auch inneren Sicherheit. Sie umfasst diverse Maßnahmen – sowohl zur (allgemeinen) Gewährleistung von Sicherheit und Ordnung als auch zum Management von Schadenslagen, Krisen und Katastrophen – sowie die durchführenden Akteure, gemeinhin aufgefasst als Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BOS). In der nicht-polizeilichen Gefahrenabwehr fallen darunter Organisationen des Bevölkerungs- bzw. Katastrophen- und Zivilschutzes, des Notfall- und Rettungswesens (z.B. Feuerwehr, Bundesanstalt Technisches Hilfswerk, Deutsches Rotes Kreuz, Johanniter Unfallhilfe, Malteser). Den polizeilichen Part decken die Polizeien des Bundes und der Länder sowie Ordnungsbehörden ab. Zusätzliche Unterstützung erfahren die BOS durch andere Organisationen, bspw. aus der privaten Sicherheitswirtschaft. Die Forschungsgruppe Management und Organisation in der Gefahrenabwehr befasst sich aus einer Schnittstellenperspektive sozialwissenschaftlicher Organisationsforschung und ingenieurwissenschaftlicher Sicherheitsforschung mit den komplexen Settings der Gefahrenabwehr und des Managements von (Groß-)Schadenslagen. Soziotechnischer Ausgangspunkt der Forschungsgruppe ist die Annahme, dass sich Systeme wie Organisationen und interorganisationale Konstellationen in komplexen sicherheitsrelevanten Kontexten aus Wechselwirkungen der Elemente Mensch, Technik und Organisation (M, T, O) verstehen und erklären lassen. Vor dem Hintergrund untersucht die Forschungsgruppe organisationsspezifische Rollen, Funktionen, Kulturen und Logiken verschiedener BOS und weiterer Sicherheitsakteure in der zivilen Sicherheitsproduktion sowie ihr Zusammenspiel im Rahmen der interorganisationalen Zusammenarbeit. Die o.a. Themenstränge werden auf Basis möglichst vieler Praxisperspektiven und somit insbesondere der (subjektiven) Wahrnehmungen der jeweiligen Akteure erschlossen, was sich in Mixed-Method-Untersuchungsdesigns widerspiegelt. Ziel der Forschung ist es, Erkenntnisse über die Wechselwirkungen zwischen verschiedenen Systemelementen (M, T, O) bei der Sicherheitsproduktion in unterschiedlichen sicherheitsrelevanten Settings, einzelnen Organisationen sowie in der organisationsübergreifenden Zusammenarbeit zu gewinnen, und diese sowohl wissenschaftlich als auch praxisbezogen nutzbar zu machen.

FORSCHUNGSTHEMEN

Organisationen und interorganisationale Zusammenarbeit

Als Merkmal moderner Gesellschaften sind Organisationen bereits seit langem Forschungsgegenstand sowohl vieler Einzeldisziplinen als auch der interdisziplinären Organisationsforschung. Obwohl auch Organisationen der Gefahrenabwehr, des Krisen- und Katastrophenmanagements thematisch darunterfallen, sind sie weitaus seltener in entsprechenden wissenschaftlichen Untersuchungen vertreten als bspw. Automobilunternehmen, Schulen und Krankenhäuser. Wir befassen uns daher genauer mit diesen speziellen Organisationen. Aus einer interdisziplinären Perspektive, die sich sowohl aus Ansätzen der Organisations- als auch der Sicherheitsforschung bedient, erforschen wir verschiedene Organisationen, insbesondere BOS, welche sich dem Feld der zivilen Sicherheit zuordnen lassen. In unseren Forschungsprojekten untersuchen wir, wie Notfall- und Rettungsorganisationen, Feuerwehren, Polizeien und öffentlichen Verwaltungen in ihren jeweiligen Kompetenzbereichen Beiträge zur Sicherheitsproduktion leisten. Schwerpunkte der Betrachtung sind die Organisationslogiken, -kulturen, Strukturen, Prozesse, Maßnahmen sowie verwendete Techniken, Technologien und Instrumente. Darüber hinaus befassen wir uns v.a. mit organisationsübergreifenden bzw. interorganisationalen Formen der Sicherheitsproduktion (z.B. Koordination, Kooperation, Kollaboration), die sich in diversen formellen (bspw. in Koordinierungs- und Krisenstäben) und informellen Ansätzen der Kommunikation, des Austauschs und der Zusammenarbeit äußern.

Forschungsprojekte

Private Sicherheitswirtschaft und Veranstaltungssicherheit

Bei der Betrachtung der verschiedenen Phasen von Krisen und Katastrophen zeigt sich, dass nicht nur die klassischen, etablierten BOS Aufgaben beim Management von Schadenslagen übernehmen. Auch andere „Sicherheitspartner“ verantworten durchaus wichtige Funktionen in der Lagebewältigung und arbeiten mit den BOS an entscheidenden Stellen zusammen. Neben bspw. zivilgesellschaftlichen Akteuren sind das v.a. private Sicherheitsdienstleister. In unserer Forschung hat sich herausgestellt, dass solche Akteure zwar an vielen verschiedenen Stellen mitwirken, das Wissen über diese Organisationen, die Branche, ihre Strukturen, Kompetenzbereiche, Aufgaben, etc. aber mehr von Mythen und Vorurteilen geprägt ist als von tatsächlichen Erkenntnissen. Daher befasst sich die Forschungsgruppe mit der privaten Sicherheitswirtschaft bzw. ihren Dienstleistern und untersucht, wie diese Akteursgruppe z.B. von BOS und der Bevölkerung wahrgenommen wird. Fremdwahrnehmung, d.h. Image, Reputation und Legitimität einerseits sowie Selbstwahrnehmung, d.h. Identität und Identifizierung mit der eigenen Organisation und Branche andererseits stehen dabei im Vordergrund des Forschungsinteresses.

Forschungsprojekte

Veranstaltungssicherheit

BOS und private Sicherheitsakteure treffen nicht nur im Kontext kritischer Ereignisse aufeinander. Auch in alltäglichen geplanten Settings wie (Groß-)Veranstaltungen begegnen sich beide Akteursgruppen und arbeiten zusammen. Dabei sind sie gemeinsam unter Leitung des Veranstaltungsmanagements für die Produktion der Veranstaltungssicherheit zuständig – im Sinne von Sicherheits- und Ordnungsdienstleistungen, des Rettungs- und Sanitätsdienstes, des Brandschutzes und der allgemeinen Gefahrenabwehr. Je nach Veranstaltungsart, -ort, -bedingungen und -phasen verändern sich dabei Verantwortlichkeiten, Zusammenarbeitsformen und Ansätze der Arbeitsteilung. Auch Entwicklungen wie wechselnde Bedrohungslagen, eine sich wandelnde subjektive Wahrnehmung von Sicherheit oder z.B. die Konsequenzen der SARS-CoV-2-Pandemie beeinflussen die Ausgestaltung und Umsetzung von Maßnahmen der Veranstaltungssicherheit. Vor dem Hintergrund befasst sich die Forschungsgruppe mit den Dynamiken der Veranstaltungssicherheit und betrachtet, wie sich das Feld entwickelt und welche Schwerpunkte bei der Maßnahmenplanung und -umsetzung (menschlich, technisch, organisatorisch) gesetzt werden. Methodisch setzt die Forschungsgruppe dies in der Regel mit Mixed-Methods-Designs um, welche aus Interviews, Dokumentenanalysen, Surveys und Feldbeobachtungen zusammensetzen. Letztere stellen dabei einen Schwerpunkt des Vorgehens dar, da – wie die Erfahrungen des Forschungsteams immer wieder zeigten – mittels verschiedener Beobachtungsformen erst ein „Gefühl“ für die besonderen Veranstaltungssettings entwickelt werden kann.

Forschungsprojekte

Evaluation von Übungen und Trainings im Bereich Bevölkerungsschutz

Im Austausch mit Praktiker*innen wird immer wieder betont, wie wichtig es ist, (für) den „Ernstfall“ zu üben, um zu wissen, wie der jeweils andere Akteur funktioniert und „tickt“. Das bestätigen auch unsere Forschungsergebnisse an vielen Stellen. Ob in organisationsinternen oder in organisationübergreifenden Trainings und Übungen: Hier kann ein wichtiger Grundstein gelegt werden für die Zusammenarbeit in kritischen Situationen. Auch wir befassen uns daher mit solchen Vorbereitungsansätzen und unterstützen BOS und weitere Sicherheitspartner mit Evaluationen von Übungen, Trainings und Simulationen.

Forschungsprojekte

PUBLIKATIONEN (Auswahl)

  • Schönefeld, M., Schütte, P., & Fiedrich, F. (2019). Veranstaltungsordnungsdienste als wahrnehmungsbeeinflussende Akteure bei der Sicherheit von Großveranstaltungen. In: H.-J. Lange & M. Wendekamm (Hrsg.), Postfaktische‘ Sicherheitspolitik!? Gewährleistung von Sicherheit in unübersichtlichen Zeiten. Wiesbaden: Springer VS, S. 29-52.
  • Schütte, P., Frommer, J., Schönefeld, M., Schulte, Y., & Werner, A. (2021). Herausforderungen für Organisationen im Spannungsfeld Migration und Sicherheit – Am Beispiel der Flüchtlingssituation 2015/2016. In: H.-J. Lange; C. Kromberg & A. Rau (Hrsg.), Urbane Sicherheit. Migration und der Wandel kommunaler Sicherheitspolitik. Wiesbaden: Springer VS, S. 169-198.
  • Schulte, Y., Schütte, P. M., Schönefeld, M., & Fiedrich, F. (2021). Corona und Kommunalverwaltung. In: S. Voßschmidt & A. H. Karsten (Hrsg.), Resilienz & Pandemie. Handlungsempfehlungen anhand erster Erfahrungen aus der Covid-19-Pandemie 2020. Stuttgart: Kohlhammer (im Erscheinen).

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